1980 - Ich werde in der DDR geboren, in einem kleinen Kaff Namens Bergen auf der Insel Rügen.
1981 - Ich kann mich nur an wenig erinnern, aber eins weiß ich genau, ich hab schon damals bessere Witze gemacht als Fips Asmussen!
1982 - In der Kinderkrippe gelte ich als humorvoll, denn ich hebe mir immer alles auf, und drücke dann einen riesigen, viel zu großen Haufen in meine Windel. Rechts und links quillt es heraus und auf meinem SED-Parteibuch wird angekreuzt "durchsetzungsstark".
1983 - Jesus ruft an. Ich verstehe ihn nicht und er mich nicht. Nur Gebrabbel dringt an mein Ohr, aber ich glaube auch an seines. Mein Hebräisch ist eingerostet und sein Hochdeutsch auch. Er sagt mir eine glanzvolle Zukunft voraus und dass die Mauer bald weg ist. Ich verstehe nur Bahnhof und sage ihm das auch: אני מבין רק בתחנת רכבת.
1984 - Mohammed ruft an. Ich verstehe ihn nicht und er mich nicht. Nur Gebrabbel dringt an mein Ohr, aber ich glaube auch an seines. Mein Arabisch ist eingerostet und sein Hochdeutsch auch. Er sagt mir eine glanzvolle Zukunft voraus und dass die Mauer bald weg ist. Ich verstehe nur Bahnhof und sage ihm das auch: أنا أفهم فقط محطة القطار.
1985 - Ich ziehe um, von Binz nach Borchtitz am Jasmunder Bodden, in ein Haus mit angeschlossenem Kinderferienlager. Alles ist neu für mich, neue Freunde, neue Frauen und mein altes Moped musste ich verkaufen. Mein neues Hobby: Leuten auf den Sack gehen und Schach. Ich werde zu Wettkämpfen eingeladen, gewinne alles, konnte mir aber bald die Bestechungsgelder nicht mehr leisten: Nudossi, Knusperflocken und Pfeffis! Tja, Schach Matt.
1986 - Ich trete in die halb kommunistische, halb sadistische Grundschule "Otto Grotewohl" in Sagard ein und harke ein bisschen im Schulgarten. Es gab das Unterrichtsfach "Werken", da konnte man drechseln, feilen, schrauben, hämmern oder sich an der Ständerbohrmaschine mit langen Haaren selbst skalpieren. Soll vorgekommen sein, sagten die Lehrer. Ich trage seitdem Deutsch-Kurzhaar. Warum sadistisch? Weil man im Musikunterricht vor der Klasse singen musste. Laut und schlecht sing, sang und sung ich mir die Kehle aus dem Hals. Mein Musiklehrer soll in der Hölle schmoren und dort auf ewig meinem Gesang lauschen. Natürlich sprangen auch gleich zwei Mädels ab, die Mandy und die Simone!
1987 - Mit dem Schach musste ich aufhören, zu viel Nachdenken und zu viele Frauengeschichten. Lieber Segeln! Keine Weiber und man sitzt nur herum (und zieht ab und zu an der Großschot). So dachte ich. Wir fuhren also mit unserem Segelvereinsleiter "Herr Schwarz" (Arzt im Hauptberuf, wenn ich mich richtig erinnere) und unserer Yacht "3. Moskauer Brotfabrik" (die gibts wirklich [1]) und den ganzen Jollen mit uns Kindern und Jugendlichen in und um Rügen herum. Unser Heimathafen hieß "Martinshafen" (in der Nähe von Sagard) und wir segelten kleinere Touren innerhalb des Jasmunder Bodden (z. B. Ralswiek oder Polchow) oder größere Touren nach Hiddensee oder um die Insel Rügen herum, z. B. nach Glowe, Binz, Greifswalder Oie usw. Abends wurde an den Strand gefahren, Lagerfeuer angeworfen, Zelt aufgebaut und am nächsten Tag ging es weiter. Tolle Zeit! (Einen amtlichen Segelschein habe ich bis heute nicht.)
1988 - Ein ereignisloses Jahr. Ich telefoniere einige Male mit Baba Jaga Wanga. Sie meint, da würde was kommen. Ich weiß nicht, was in diesem Weder-Ochs-noch-Esel-hält-den-tausendjährigen-Sozialismus-auf noch Überraschendes kommen soll.
1989 - Die Mauer ist weg. Also die Kinder rein in den Trabant 601 Deluxe und ab nach Lübeck an die Grenze. Die Wessis klopften uns (links und rechts Spalier stehend) begeistert auf das Trabbipappdach. Hurra, die Ossis sind da! Schnell noch 100 Westmark Begrüßungsgeld für jeden abgeholt und wieder zurück in die bald blühenden Landschaften. Ich verkündete in einem Brief dem SED-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mein lange gehütetes Geheimnis: Ich hatte geschmuggelte Fips Asmussen Kassetten gehört!
1990 - An mir gingen, dank der Gnade der späten Geburt, der Staatsbürgerkundeunterricht und das Erlernen der Sprache Russisch vorüber. So ein Pech. Also Englisch lernen. So ein Pech. Ich befinde mich nun in einer damals so genannten "Orientierungsstufe", in der fünften und sechsten Klasse.
1991 - Ich fahre ins Schwimmlager nach Thiessow, am äußersten südöstlichen Zipfel von Rügen. Wir schlafen in kleinen Bungalows auf der Boddenseite (Kreisschulheim Thiessow) und haben tagsüber Schwimmunterricht auf der Ostseeseite. Man musste sich damals auf Anweisung der Lehrer am Strand nackig ausziehen, Jungen und Mädchen getrennt. Fand ich nicht so toll, als Junge in der Pubertät. Aber das war wohl die FKK-Kultur in der DDR. Schwer traumatisiert begann ich Gedichte zu schreiben.
1992 - Mein 19-bändiger Gedichtband wird veröffentlicht. "Nix zu lachen beim nackig machen" konnte ich auf dem Schulhof verticken, für harte Westmark! Ich gelte ab sofort als eine Mischung aus Heinrich Heine und Heinrich Böll. Die Lehrer nennen es einfach nur Trümmerliteraturpoesie.
1993 - Ich werde in das "Ostsee-Gymnasium Sassnitz" eingewiesen. Das hieß damals noch nicht so, aber ein paar Jahre später kam Angela Merkel als Ministerin zu uns und unser Gymnasium bekam diesen Namenszusatz. Moment, das war Ministerpräsident Berndt Seite, 1997. Ich bin aber der Meinung, dass auch Frau Merkel bei uns war. Finde aber beim googeln nichts. Hat sie damals Wahlkampf für ihren Wahlkreis gemacht? War sie als Familienministerin bei uns? Als Umweltministerin? Da ich mich derzeit nicht mit Leuten von damals austauschen kann, bleibt diese Information unter Vorbehalt.
1994 - Ich habe Jugendweihe, ein Wessi würde sagen: Konfirmation. Es gibt Geld und einen Computer, einen 486 SX 40 [2].
1995 - Mandy und Simone kehren zurück. Er (also ich) hat ja jetzt Kohle! Simone wollte gleich Knutschen, klar. Ich, als anständiger Komsomolze, lehnte ab. Hinter einer, ganz bestimmt schwer kapitalistischen Hecke, wurde dann aber doch geknutscht. Vor lauter Freude gab ich Simone den Ehrennamen "Feliks Dzierzynski Wachbataillon".
1996 - Im Musikunterricht ist ein Vortrag zu halten. Ich schneide aus der Bravo einen Caught in the Act Star Schnitt aus und kopiere elegant verschleiert den Text in meinen Vortrag. Seitdem gelte ich als CITA Experte und lasse mein Fachwissen über Benjamin, Eloy, Lee und Bastiaan dezent in Gespräche einfließen.
1997 - Ich gebe im Kunstunterricht eine Collage über Lara Croft ab. Dazu zerschneide ich die Bilder einer Computerspielezeitung und klebe sie zusammen. Die Note vier ist mir sicher, sagt meine Kunstlehrerin (Name der Redaktion bekannt). Bilder sind wohl nicht so meins. Ich steige um auf Textkunst. Außerdem arbeite ich in den Schul-Sommerferien als Ordner bei den Störtebeker Festspielen in Ralswiek am Haupteingang, Karten abreißen und so. Nachdem ich jahrelang mit unseren Segelvereinsbooten (meist 420er oder Cadet) kostenlos von der Seeseite zugeschaut hatte, wollte ich mich jetzt dankbar zeigen.
1998 - Ich bestehe mein Abitur an einem Freitag und schon am Montag bin ich Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Zur Grundausbildung geht es nach Goslar bei der Luftwaffe. Nach drei Monaten Grundausbildung geht es nach Prangendorf (grob in der Nähe von Rostock bzw. Sanitz) zur FlaRakGrp 31. Als gelernter Halbautist machte ich mir wochenlang über Folgendes Gedanken: In der Grundausbildung besteht eine Gruppe aus 12 Soldaten. In Prangendorf besteht eine FlaRak-Gruppe aus ca. 500 Soldaten. Kapierte ich nicht!
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(Hier folgen bald die Jahre 1999 bis 2004)
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2005 - Offizieranwärterlehrgang Teil 1, Uhrzeit: 06:57, Ort: Feldafing (Bayern/Starnberg). Ich muss um 07:00 Uhr zum Antreten in der Kaserne in Feldafing sein. Schaue auf die Uhr. Zu spät. Schaue noch mal auf die Uhr. Irgendwie doch nicht zu spät. Melde mich bei Hauptmann Stefan Eckl [3] als "nicht verspätet". Seitdem nannten sie mich Schrödingers Katze, weil ich gleichzeitig zu spät und nicht zu spät war. Bei einem Tag der offenen Tür zerbricht meine Brille. Ich renne zur Unterkunft, blind. Hauptmann Eckl fragt mich, warum ich ihn nicht grüße. Ich sage, ich sehe ihn nicht. Er lacht sich tot und ich setze meine Kontaktlinsen ein. Bei meiner Prüfung müssen wir im Unimog durch den bayerischen Wald, ich verfahre mich und wir überfahren dicke Baumstämme. Beim Rangieren fliegt mein Burkina Faso Kamerad Idrissa Ganemtore hinten durch die Fernmelde-Kabine und wird völlig zerbeult. Dann sind wir am richtigen Standort und ich bediene das (defekte) Lochkartenlesegerät (kein Witz, HF-Schreibfunktrupp Alpha, uuuralt). Hauptmann Eckl fragt mich, ob ich es auch so geschafft hätte. Ich antworte mit "Jawoll" und bestehe. Am Ende des Lehrgangs merke ich, dass Hauptmann Eckl unsere Truppe ziemlich gerne gehabt hat, leider konnte ich es nicht immer mit guten Leistungen erwidern, denn ich habe psychische und physische Probleme, von denen ich aber niemandem erzähle. Ich beiße mich durch. Es geht sehr langsam bergab, bis 2014, dort ist der Tiefpunkt, aus dem es wieder bergauf geht. Ich muss daraus nur noch eine Heldengeschichte machen :-) Mich plagen schon lange permanente Müdigkeit, diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten, starkes Grübeln über alles usw. Ich glaube, ich war damals ein anstrengender Typ, konnte es aber aufgrund meiner starken Müdigkeit nicht ändern. Aber die Kameradschaft innerhalb der Bundeswehr ist hoch, man wird auch als "leicht seltsamer" Typ akzeptiert. Ich denke gerne an die Zeit zurück.
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(Hier folgen bald die Jahre 2006 bis 2009)
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2010 - Meine 12-jährige Dienstzeit bei der Bundeswehr geht zu Ende. Mein S1-Personaloffizier sagt zu mir: "Stephan, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Die Gute: Du wirst zum Oberleutnant befördert. Die Schlechte: Erst mit Wirkung zum ersten Tag nach Ablauf deiner Dienstzeit." Das bedeutet für mich, ich darf mich jetzt Oberleutnant nennen, aber es ist nicht mehr gehaltswirksam. Meine Abfindung (bei der Bundeswehr Übergangsbeihilfe bzw. Übergangsgebührnisse genannt) wird noch nach dem Dienstgrad Leutnant berechnet. Hier ein Bild meiner Beförderungsurkunde. (Ich fahr jetzt erstmal am Wochenende nach Augsburg, komme Montag wieder und lade das Bild hoch.)
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(Hier folgen bald die Jahre 2011 bis 2014)
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2015 - Nach eine Serie von Misserfolgen und dem Tiefpunkt 2014, überlegte ich, woran es liegen könnte. War ich eventuell dumm? Um das zu überprüfen, ging ich zu Mensa (nein, nicht die Uni-Küche, sondern der weltweite Hochbegabungsverein Mensa, der einen anerkannten IQ Test anbietet). Ergebnis: Ich bin nicht dumm.
Dummheit hatte ich also ausgeschlossen, jetzt blieb nur noch Faulheit. Um das zu überprüfen, ging ich... nirgendwohin! Denn ich war ja faul. Aber nicht intelligent genug, um das zu erkennen. Leider auch zu faul, um eine gute Pointe zu finden, die diesen Text endlich abschließt. Also schnell ins nächste Jahr.
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(Hier folgen bald die Jahre 2016 und 2017)
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2018 - Insel Rügen. Es ist ein komisches Gefühl, dort Urlaub zu machen, wo man aufgewachsen ist. Seit zehn Jahren war ich nicht mehr hier. Ich besuche viele Orte aus meiner Kindheit. Ich sitze z. B. brav auf der Landseite der Störtebeker Festspiele, zahle brav meinen Eintritt und genieße brav die Theatervorstellung. Jedem, der mit dabei ist, erzähle ich, dass ich hier mal Ordner war. Pirat Störtebeker wird, wie üblich, geköpft, aber auch wir Zuschauer werden nicht geschont: Wolfgang Lippert singt den Albaaatroooooooos.
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(Hier folgen bald die Jahre 2019 bis 2022)
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2023 - Putin ruft an. Ich verstehe ihn und er mich. Nicht sehr Wohlklingendes dringt an mein Ohr, aber ich glaube auch an seines. Er würde gerne den ganzen Osten zurückerobern und mir ein lustiges Video davon schicken. Er sagt mir eine glanzvolle Zukunft voraus und dass die Mauer bald wieder aufgebaut wird. Ich stehe am Bahnhof und sage ihm das auch: "Ich stehe am Bahnhof".
2024 - Meine Website beginnt Gestalt anzunehmen. Viele uralte, dreiviertelfertige Texte müssen noch schön und zu Ende geschrieben werden. Ich bin Aufzugstechniker und mache endlich meine KFZ-Meister Ausbildung in Teilzeit fertig. Das schlaucht zeitlich ganz schön. Mittlerweile heißt der Meister ja Bachelor Professional, offiziell abgekürzt B. Prof. Wie genial :-)
[Anmerkung der Redaktion: Die biografischen Angaben beruhen auf den Selbstauskünften des Websiteabgeordneten.]
[1] Der Segelwolf Wolf Knipfer hat sie tatsächlich 2016 in Kiel fotografieren können und auf seiner Website in einem Artikel dargestellt. Genau diese Yacht war das! Ich habe aktuell leider keinen Zugriff auf Bilder aus den 90ern von mir. Ich versuche gerade daranzukommen und auch die Bildrechte brauche ich natürlich. In den 90ern hat das niemanden interessiert ("Urheberrecht? Bildrechte? Hä?"), aber heute werde ich mir da kein Ei legen.
[2] Eine Auswahl meiner damaligen Lieblingsspiele: Monkey Island 1 und 2, System Shock, Lands of Lore, Ultima VII, Dune 1 und 2, Command & Conquer, Anstoss, Civilization, Indiana Jones, Wolfenstein, Sim City, Wing Commander, Star Wars: Rebel Assault, LHX: Attack Chopper, Battle Isle. Mir hat es heute noch dieser originale Roland/Midi/Soundblaster Sound angetan, z. B. in den Intros von Monkey Island oder Dune 2, und ich mag den groben Pixelgrafikstil bis heute. Es ist wie Buch vs. Film, im Buch ist mehr Phantasie möglich. Wenn ich die Realität sehen will, mach ich das Fenster auf.
[3] Ich habe beim googeln gesehen, dass Stefan Eckl 2014 als Oberstleutnant Chef des Stabes der Panzerbrigade 12 in Cham wurde. Vermutlich heimatnah, denn wir Offizieranwärter haben ihn damals (2005) auch mal bei ihm zu Hause zu einer geselligen Veranstaltung besucht. Wenn ich mich richtig erinnere, war das in der Gegend von Cham. Aufgrund des herausgehobenen Dienstposten nehme ich an, dass er die Generalstabsausbildung abgeschlossen hat und eventuell heute als Oberst i. G. zum Beispiel im BMVg sitzt. Finde dazu aber nichts beim googlen. Vielleicht hat er auch einen Dienstposten beim KSK, dann wird man natürlich nichts mehr über ihn finden. Ich werde in diesem Stil weitere Kameraden oder Vorgesetzte erwähnen, die mir positiv in Erinnerung geblieben sind.
(Bitte beachten Sie, dass Kommentare hier aus Anti-Diskriminierungsgründen auch zeitübergreifend möglich sind. Wir wollen ja keine Epoche und Dimension benachteiligen. Geblockt werden nur Nazis, Spiegel-Redakteure und Xavier Naidoo.)
Dies ist eine ultrafrühe Version meiner Website und dient erstmal nur zum Vorzeigen und Angeben. Mein 5000-köpfiges Websiteteam und mein 50000-köpfiges Beraterteam wird bald eine neue, gut abgeschmeckte, leicht satirische, aber immer wahre Version dieser Website erstellen, auf die es sich zu warten lohnt. Schaut also immer mal wieder rein, denn lieber ein bekanntes Elend, als ein unbekanntes Elend.